Wie kann uns die KI im Tourismus helfen? Günter Exel von Realizing Progress ist Tourismus-, KI- und Kommunikationsberater. Wir haben uns mit ihm ganz analog im Café Prückel getroffen und uns von ihm die wunderbare Welt der Künstlichen Intelligenz im Tourismus erklären lassen.
Alexa und Siri sind alte Bekannte, die etwas in Vergessenheit geraten sind. Im Oktober ergriff ein anderer Sprachassistent das Wort – und will am Smartphone mit uns in Dialog treten: ChatGPT Advanced Voice Mode. Wird man in Zukunft doch mehr Menschen sehen, die mit ihrem Handy sprechen? Günter Exel, der sich mit diesen Technologien, speziell im Bereich Tourismus, auskennt, meint ja. Gerade im Tourismus. Computergesteuerte Dampfgarer sind längst aus Profiküchen nicht mehr wegzudenken. KI kann helfen die steigenden Ansprüche der Gäste zu erfüllen – auch wenn einem die MitarbeiterInnen dafür eigentlich fehlen.
KI steuert zum Beispiel Servierroboter. „Jüngst wurden Roboter präsentiert, die nicht nur die Umgebung wahrnehmen, sondern auch mit ihr interagieren“, sagt Günter Exel. „Die erkennen, dass Geschirr am Tisch steht und räumen das ab. Oder wissen, dass der Geschirrspüler auszuräumen ist.“ Sie können das, weil sie das über optische Informationen erkennen. Sie sind darauf gebrieft: Da steht ein schmutziger Teller, räum ihn ab. „KI kann Fotoinhalte interpretieren und gleicht diese mit der Realität ab. Sie arbeitet mit gelernten Mustern.“ Bisher wurde sie auf Bewegungsabläufe trainiert: Der berühmte vollautomatische Rasenmäher oder Staubsauger, den viele schon einsetzen. Jetzt werden Bilderkennung, Sprache und Aktivitäten kombiniert. Man wird also bald mit seinem Rasenmäher sprechen können…
Die KI erstellt Dienstpläne anhand umfangreicher Informationen: Wetter, Kongresse, Veranstaltungen in der Region, Ferienzeiten, Abwesenheiten und Krankenständen. Die KI kann eine tägliche Gästezeitung generieren, hilft bei der Büroarbeit, beim Beantworten von Mails. Das kann man mittlerweile alles automatisieren: Antworten auf Buchungsanfragen oder Tischreservierungen, z.B. Absagen, wenn man voll ist. Das kann der Chatbot auch telefonisch machen. Und anhand des Belegungsplans Alternativen vorschlagen für andere Tage.
Die KI erkennt, wann ein Parkplatz oder ein Museum voll ist und bietet Alternativen an. Grundlage dafür: Es müssen Daten vorhanden sein. Daten anderer Veranstalter, auch Kundendaten, damit die KI dem Anrufer personalisierte Vorschläge machen kann. „Diese Daten liegen vor, aber noch wissen wir nicht, wie wir damit umgehen sollen. Da kann uns auch die KI helfen: Die managt die Daten.“
KI ist heute vor allem ChatGPT. Das wurde am 30. November 2022 eingeführt. Damals hat das Programm arg halluziniert und manchmal haarsträubend falsche, vor allem veraltete Infos geliefert. Das ist jetzt besser geworden: „Sprachmodelle wie GPT-4o greifen nicht nur auf ihre zeitlich begrenzten Trainingsdaten zu, sondern können auch Suchanfragen im Internet durchführen.“ 2023 wurde ChatGPT Voice vorgestellt; diesen Oktober wurde ein verbesserter Voice Mode auch für Österreich freigeschaltet. „Mit ChatGPT kann man sich nicht nur schriftlich unterhalten, via Prompts: Das geht auch mündlich.“
Das Problem waren bisher Pausen von drei bis vier Sekunden vor jeder Antwort. Der neue ChatGPT Advanced Voice Mode antwortet hingegen fast ohne Verzögerung.
Der Dialog mit einem Chatbot wird durch die neue Apple Intelligence, die künftig (bei uns vermutlich ab 2025) in moderneren Apple iPhones eingebaut ist, zum neuen Standard. „Das wird die Art verändern, wie wir mit unseren Smartphones interagieren. Die neue Siri wird zur persönlichen Begleiterin und Assistentin. Sie kann verschiedenste Aktionen erledigen und bei Bedarf auch Fragen mittels ChatGPT beantworten.“
„Bisher stelle ich ChatGPT eine schriftliche Frage und muss sehr auf die Formulierung der Anweisungen, der sogenannten Prompts, achten“, beschreibt Günter Exel die veränderte KI-Nutzung. Apple Intelligence wird hingegen zum Durchbruch einer intuitiven Nutzung von Künstlicher Intelligenz führen: „Wir werden im ständigen Dialog mit unserem Handy sein.“ Derzeit nutzen 200 Millionen User weltweit den KI-Chatbot ChatGPT. „Das wird jetzt sehr schnell noch viel mehr werden.“
Aber worin liegt der Nutzen im Tourismus, wenn ein KI-Chatbot Antworten liefert und Avatare für die Destination sprechen? Sie sind immer erreichbar. KI-Concierges sind in verschiedenen Destinationen seit etwa eineinhalb Jahren im Einsatz. Hier liegt ein Sprachmodell wie GPT-4 im Hintergrund, das auf touristische Informationen trainiert wird. Personalisierte Chatbots gehen noch einen Schritt weiter: Damit kann man sein Serviceangebot erhöhen, die komplette Palette anbieten: Sitzplätze reservieren, Speisekarten vorlesen lassen, Tipps geben, bei Buchungen helfen.
Buche ich im Dialog künftig Zugtickets? Hotelzimmer? Reisen? Das geht, wenn der Assistent (Apple Intelligence = Siri 2.0) eine Schnittstelle zur Buchungsplattform hat. Apple bietet den Programmierern von iPhone-Apps solche Schnittstellen für den Sprachdialog an. Wenn die ÖBB, ein TVB oder ein Hotel Sprachdialoge über solche Schnittstellen ermöglichen, können ihre Nutzer also mit Siri 2.0 kommunizieren. „Große Anbieter werden aber auch eigene intelligente Chatbots in ihre Apps einbauen. Das Entscheidende ist: Die Kommunikation, der Austausch der Informationen läuft jetzt über Voice.“
Touristiker können theoretisch sogar sprechende Avatare erstellen, die wie das Destinationsmaskottchen oder wie der Seniorchef aussehen. Wollen wir das? „Das ist wohl eher auf Destinationsebene einsetzbar“, sagt Exel. „Auch eher in einer Kette als im Privathotel.“ Avatare könnten auf Destinationsebene wie Testimonials eingesetzt werden, sagt Exel. „Das kann man ja unterhaltsam machen. Man muss die Künstlichkeit nicht verschleiern, kann damit speziell Kinder ansprechen.“
Wie kann man da als Touristiker mitspielen? „Man muss sich fit machen. Wie früher für Google mit SEO. Oder als man seine Homepage auf mobile Nutzer angepasst hat. Man kann aber nicht nur Widgets zur Kommunikation mit dem User auf seiner eigenen Website anlegen. Personalisierte KI-Tools können auch eingesetzt werden, um die eigene Arbeit zu unterstützen. „Es ist gar nicht so schwer, Chatbots mit eigenen Informationen zu füttern und für besondere Aufgaben aufzusetzen“, erklärt Exel. „Das zeigen wir regelmäßig in unseren Workshops.“
Entscheidend ist die strategische Auseinandersetzung mit den Chancen von KI im Unternehmen. Bei welchen Prozessen kann KI unterstützen – etwa in Marketing, Kommunikation, internen Prozessen, Marktforschung, Analyse und Human Resources? Firmeneigene Chatbots – sogenannte Custom GPTs – können Presseaussendungen oder Werbemails formulieren, den Auftritt in den Sozialen Medien füttern. Voraussetzung sind immer gut strukturierte Infos.
Nur ein Beispiel ist der VisitKölnGPT, der Web- und Social-Media-Texte erstellt und sie an die verschiedenen Zielgruppen von KölnTourismus anpasst. Exel sorgt dafür, dass die Texte sich an der Kölner Identität orientieren und zugleich die richtige Sprache für die passende Zielgruppe finden. „Die zielgruppenspezifische Ansprache erhöht die Response und die Klickzahlen. Und am Ende auch die Buchungen.“
Das Besondere am ChatGPT Advanced Voice Mode ist, dass er die Unterhaltung wie mit einem Menschen ermöglicht, ohne Verzögerungen. Chatbot, gib mir mal einen Tipp! Dann kommen spezifizierende Nachfragen vom Bot. „ChatGPT geht auf Situationen ein, das macht aus Usersicht richtig Spaß. Was 2013 wie im Film ‚Her‘ noch Science Fiction war, wird 2025 Realität: Das werden ganz normale Dialoge sein!“
Mit dem Chatbot führt Günter Exel Diskussionen über Literatur oder die Entwicklung des Musikbusiness, nutzt ihn aber auch als ständigen Urlaubsbegleiter, als Reiseführer vor Ort. Sein selbst programmierter GPT „Travel Stories“ gibt ihm Reisetipps, empfiehlt Lokale und Sehenswürdigkeiten und erzählt ihm Stories und Anekdoten über die Geschichte und Kultur eines Ortes oder Gebäudes.
Wie bekomme ich den Assistenten dazu, dass er mein Angebot als Touristiker kennt? Touristische Infos kommen aus verschiedenen Quellen: zum Beispiel Fachmagazinen oder von den Anbietern selbst. ChatGPT verknüpft dieses Wissen aus seinen Trainingsmaterialien, kombiniert es bei Bedarf mit einer Websuche und erstellt daraus eine ausformulierte Antwort – anders als Google, wo man sich selbst durch Listen von Suchtreffern arbeiten muss. Dabei verarbeitet ChatGPT auch Suchtreffer von Bing (nicht von Google!) und verlinkt auf die entsprechenden Seiten. „Wenn ich meine Webseite mit Informationen füttere, die Fragen aus der Perspektive eines Urlaubers beantworten, wird das ChatGPT als relevant einstufen. Man muss seine Webseite für ChatGPT optimieren. Ähnlich wie SEO – nur anders. Wenn der Webinhalt aus Usersicht geschrieben ist, ist das für ChatGPT sehr attraktiv.“
„Es kommt mehr denn je auf das Erlebnis an. Man muss aber über diese Erlebnisse sprechen, am besten auf seiner Homepage. Noch besser die Gäste erzählen lassen.“ Kann diese Geschichte nicht von einer KI geschrieben sein? Geraten wir nicht in einen Wirbelsturm der Fakenews? „Nur wenn man sich blind auf seinen Assistenten verlässt. Generative KI hat keinen Begriff von Wahrheit – sie kann halluzinieren. Entscheidend ist, dass man Antworten überprüft.“ Wird da nicht trotzdem eine rosarote Lügenwelt gemalt? Sammelt nicht irgendwann die KI Beiträge, die eine andere KI geschrieben hat? „Das kann man als Anbieter kontrollieren. Es kommt auf die Vertrauenswürdigkeit der Quellen an. Und auf die Richtigstellung von Fakenews, die dann wiederum von der KI verarbeitet werden. Die KI korrigiert sich selbst – wenn sie so eingestellt ist.“
Natürlich besteht dennoch die Gefahr der Manipulation. Es gibt das Beispiel vom Chatbot eines US-Autohändlers, den ein Kunde fragte, ob er ein Auto um 1 Dollar kaufen könne. Der Chatbot hatte zugesagt, weil er auf Kundenservice trainiert war, und bestätigte die Transaktion als rechtlich bindendes Angebot … „Solche Fälle müssen berücksichtigt werden: Darf ein KI-Chatbot verbindliche Preisverhandlungen führen, Verträge abschließen? Gibt er im Zweifelsfall auch kriminelle Tipps?“
Apple Intelligence nutzt nur die eigenen User-Daten und belässt die im eigenen Phone – Chats werden nicht rausgeschickt. Fragen, die Siri am iPhone selbst nicht beantworten kann, werden anonymisiert in die Cloud geschickt, von ChatGPT beantwortet und können nicht zurückverfolgt werden. Dieser Prozess wird noch von den Datenschützern der EU auf die Einhaltung der DSGVO untersucht. „Apple ist jedenfalls datenschutzbewusster als Microsoft. Die mussten jüngst zurückrudern.“ Microsofts „Recall“-Lösung sollte alle paar Sekunden automatisch einen Screenshot des Desktops aufnehmen und diesen am PC speichern – was auf massive Sicherheitsbedenken stieß. „Jetzt werden die Eckpfeiler für diese Technologie entwickelt – inklusive des Datenschutzes. Darum ist es wichtig am Laufenden zu bleiben“, sagt Günter Exel.
Text: Thomas Askan Vierich Bild: HOGAST/Bing Image Creator
29. Oktober 2024
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