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Gästemarketing in schwierigen Zeiten

2022 war kein schlechtes Jahr. Und noch ist nicht ausgemacht, dass auch heuer im Winter das Virus zuschlagen wird. Dafür galoppiert die Inflation, der Mitarbeiterbedarf ist unverändert hoch und die Geldbörse der Gäste wird auch nicht dicker. Was tun? Ein Digital Talk von dfv lieferte einige konkrete Ideen.

Grundsätzlich hat sich unser Konsumverhalten geändert, wie Prof. Torsten Olderog vom Institue of Culinary Art Academy schon 2019 in seinem Vortrag „Visionäres Gastmarketing“ festgehalten hat.
Der Gast von heute vertraut weniger Autoritäten, sehnt sich aber trotzdem in unsicheren Zeiten nach einem „sicheren Hafen“ – das können auch traditionelle Speisen oder ein Hotel, das Heimatgefühl ausstrahlt, sein. Wir haben immer weniger Zeit, je jünger desto weniger.

Dafür scheint die Zugehörigkeit zu einer Gruppe wichtiger zu werden – und die Teilhabe an einer Gruppe wird mit digitalen Hilfsmitteln immer leichter. Zur Teilhabe trägt der Lifestyle entscheidend bei und hier wiederum das Essen. Deshalb ist Essen (und Trinken) so ein großes Thema in den sozialen Netzwerken: Man definiert sich darüber, was man wo isst, ob man Vegetarier oder Flexitaririer ist, was man sich leisten kann und will – und zeigt das. Damit hängt auch ein stetig steigendes Gesundheitsbewusstsein zusammen, vor allem bei jüngeren Leuten.

Herausforderungen

Jochen Pinsker, Foodservice Advisory des Umfrageunternehmens NPD Group Nürnberg, spricht im Digital Talk davon, dass die „Achterbahn langsam zu Ende“ sei: „Wir haben fast wieder das Niveau von 2019 erreicht, 10 % Umsatz fehlen noch.“ Allerdings weist er darauf hin, dass diesen Umsatz immer weniger Gäste erzeugen: Pro Gast fallen statistisch höhere Umsätze an. Was umgekehrt heißt: Die Besuche sind um 17% zurückgegangen. Anders beim Fast Food: Hier habe man das Niveau von 2019 schon Mitte 2022 erreicht.

Das Problem für die Gastronomie und vor allem die Betriebsgastronomie sei, dass immer noch 20 Prozent im Homeoffice arbeiteten. Hier profitieren also eher die Deliveryservices. In Umfragen geben ein Drittel der Deutschen (in Österreich wird es nicht anders sein) an, dass für sie Restaurants immer noch COVID-riskante Orte seien, Tendenz sogar steigend. Und die finanzielle Situation schätzten die Verbraucher noch im September 2021 deutlich positiver ein als ein Jahr später. Zur Zeit sei die Stimmung noch gedrückter als während der Pandemie, sagt Pinsker. Selbst während der Finanzkrise 2008/2009 sei die Stimmung besser gewesen.

Auf der anderen Seite seien die Auswirkungen der Inflation in der Gastronomie geringer als im Lebensmitteleinzelhandel. Trotzdem sei die Preissensibilität der Gäste höher als die der Supermarktkunden: Fast jeder sage, dass die Preiserhöhungen in der Gastronomie höher seien als erwartet. Und die Sensibilität wächst: Mittlerweile 62 Prozent wählen ihr Restaurant aufgrund eines niedrigeren Preises. Oder sie verzichten auf ein zweites Getränk, die Suppe oder den Nachtisch. Zwar seien die Außerhaus-Ausgaben von 2021 auf 2022 um 35% gestiegen, aber immer noch 7% niedriger als vor der Pandemie.

Sein Tipp: Preise seien ein zweischneidiges Schwert. Man solle die Ausgabebereitschaft besonders bei denen, die es sich immer noch leisten können, nicht unterschätzen. „Die Leute wollen eine schöne Zeit haben, egal was es kostet“, sagt Pinsker. „Also ist die Wertigkeit des Angebots wichtiger denn je!“

Wertschöpfungskette

Hans-Gerd Janssen, ein weiterer Diskussionsteilnehmer aus der Zulieferbranche, lobte die Mehrwertsteuersenkung in der Gastronomie durch die deutsche Bundesregierung, die immer noch gelte. Allerdings ersetze jetzt der Fachkräftemangel die Probleme durch die Coronabeschränkungen: „Viele Umsatzchancen können wir nicht realisieren!“ Besonders negativ wirkten sich auch die Kostensteigerungen aus: Energie und seit Einführung des Mindestlohns in Deutschland auch steigende Lohnkosten. Verlierer der Situation sei eindeutig die Betriebsgastronomie.

Der Großhandel leide immer noch an der weltweiten Rohwarenverknappung und gestörten Lieferketten. „Wir haben noch 200 Lkw-Bestellungen offen.“ Auch wenn sich die Kurven abflachten, würden die Kostensteigerungen weitergehen. Die Themen Energie und Personal seien weiter schwierig. Sie legten momentan den Fokus auf die Warenverfügbarkeit, die Nachfrage sei generell höher als das Angebot.

Aber Janssen sieht auch Chancen, vor allem für die Betriebsgastronomie: Sie könnten gerade jetzt ein besseres Angebot machen als die normale Gastronomie – vor allem preislich. Grundsätzlich sieht er in der Gästeansprache drei Schwerpunkte in der nahen Zukunft:

  • Ethik: den Co2-Footprint auf der Speisekarte angeben, das Tierwohl beim servierten Fleisch über QR-Codes am Tisch angeben und das vegane Angebot weiter ausbauen.
  • Gesundheit: auf pflanzliche und ballaststoffreiche Speisen setzen und diese bewerben. Grundsätzlich weniger Salz, Zucker und Fett einsetzen – und dies auch kommunizieren.
  • Verzehrgewohnheiten: Take Away wird bleiben; Mehrweg statt Einweg und vor allem: immer mehr Automaten 24/7 mit einem immer besseren Angebot.

Generell sei das Erfolgsmodell im Außerhaus-Business: Konzept + Produkt + Ambiente + Service + Persönlichkeit

Mehr Transparenz

Der Chef der Traube Group in Baiersbronn, Sebastian Finkbeiner, verantwortet nicht nur eines der besten Restaurants Deutschlands, sondern auch Hotels und eine Betriebsgastronomie. Er sagt: „Ein Sturmtief jagt das nächste!“ Omikron im Frühjahr schlage immer noch auf den Jahresumsatz. Auch er hat festgestellt, dass die Ausgaben pro Gast deutlich hoch gegangen sind. „Uns hilft Transparenz.“ Man müsse dem Gast klar kommunizieren, wie die Lage sei, warum die Preise sind wie sie sind und was auf den Gast noch zukommen könnte. Sie haben ihr Personal für solchen Themen geschult, die könnten dem Gast das erklären. Sie haben in ihren Betrieben eine Energiepauschale eingeführt, die als solche auch ausgezeichnet wird. Und die könne man dann auch wieder zurücknehmen.

Auch wenn die DEHOGA jüngst verkündet habe, dass bis 2024 100.000 Stellen in der Hospitality nicht besetzt werden können, würden die Leute bei ihm zurückkommen. „Sie wollen wieder in ihrem alten Job arbeiten.“ Dazu trage auch bei, dass sie in ihrer Gruppe die Löhne aufgestockt hätten, sie hätten die Coronahilfe tatsächlich ausgezahlt und sie würden verstärkt im Ausland rekrutieren. Das sei aufgrund der geänderten gesetzlichen Rahmenbedingungen in Deutschland leichter geworden. Grundsätzlich sei er bei den Gästezahlen und in der gehobenen Gastronomie zuversichtlich. Diese Klientel habe sich als „krisenresistent“ erwiesen. Auch er sagt: „Nur Qualität ist zukunftstauglich! Preisdumping sicher nicht!“ Aber er sieht auch ein Problem: „Können sich die Mitarbeiter ihre Lebensqualität trotz Lohnsteigerungen zwischen 6-8 % bei der Infaltion erhalten?“

Michael Buchszyl leitet die Gastronomie der Deutschen Bundesbank. Auch seine Kunden seien mittlerweile preisbewusst. Und der Anteil der veganen oder vegetarischen Gerichte sei von 2 Prozent vor wenigen Jahren auf 40 Prozent gestiegen. Er rechnet mit weiteren Preissteigerungen aufgrund der problematischen Lieferketten. Und die Lohnkosten seien um 20 Prozent gestiegen.

Kooperation

Arnd Rune Thomas ist Vorsitzender der Geschäftsführung beim Caterer Aramark. Er setzt auf Kooperationen, zum Beispiel mit Unternehmen wie Veganz oder den Kräuterspezialisten Querbeet – und kommuniziert das auch. „Den Gästen bei einer Veranstaltung ist vermutlich egal, wer der Caterer ist, aber wenn die Speisen von Veganz oder Querbeet kommen, registrieren sie das.“ Er empfiehlt immer flexiblere Essenszeiten zu berücksichtigen: „Die Leute gehen heute nicht mehr um Punkt 12 Uhr Mittagessen.“ Er empfiehlt auch noch mehr auf den sozialen Kanälen zu kommunizieren und zu werben, insbesondere auf Instagram und TikTok. Außerdem glaubt er, dass Kochroboter beim Mitarbeitermangel helfen können, vor allem in der Nachtverpflegung: „Dafür haben wir definitiv keine Leute mehr.“

Praktische Tipps zum Marketing

Karin Stefanie Niederer von Kohl&Partner war nicht bei der Diskussionsrunde dabei, aber sie gibt in einer aktuellen Aussendung ganz pragmatische Tipp fürs Gästemarketing:

  • Online-Marketing
    „Wer online nicht oder nicht gut auffindbar und ‚sichtbar‘ ist, existiert für eine Vielzahl der Gäste nicht am Markt. Die Basis bildet hier immer die eigene Website, die auf alle online-Aktivitäten im World Wide Web verlinken soll und muss.“ Es lohne sich, hier nicht nur in die eigene Website zu investieren, sondern auch in einem für die Gäste passenden Social Media Auftritt: regelmäßige organische Posts auf Facebook und/oder Instagram. Hier gelte es, einen „Kontakt auf Augenhöhe“ zum Gast herzustellen und neben schönen Bildern (Fokus Instagram) auch Kurzvideos und einen Blick hinter die Kulissen (Fokus Facebook / TikTok) zu gewähren und so neben der Information auch die Interaktion und Gästebindung zu forcieren. „Beachten Sie auch Ihre Präsenz auf Google. Hier können Sie nicht nur kostenfrei Ihre Website, Kontaktdaten und Öffnungszeiten hinterlegen, sondern auch eine Wegbeschreibung, den Link zu Reservierungen und Fotos.“ Größere Betriebe könnten auch über Social Ads und Google Ads nachdenken, um die Online-Sichtbarkeit zu erhöhen. „Vertrauen Sie hier auf das Fachwissen von externen Expertinnen und Experten.“
  • Online-Buchbarkeit
    Immer mehr Gäste erwarteten sich auch in Gastronomiebetrieben eine Online-Buchbarkeit der Tische. Mittlerweile gebe es auch für Kleinbetriebe leistbare Systeme, die zudem die interne Arbeit vereinfachten.
  • Corporate Design
    „Das ‚CD‘ (Corporate Design) eines Betriebes war und ist ein essentieller Maßstab für Ihre Gäste, ob sie als professionell oder weniger professionell angesehen werden.“ Je durchgängiger und zum Betrieb passender dieser gestaltet sei – also von der Website und Social Media über die Betriebsbeschriftung, die MitarbeiterInnenkleidung bis hin zur Speise- und Getränkekarte – desto professioneller empfindet Ihr Gast Sie und Ihre Dienstleistung.“
  • Analoge Ansprache nicht vergessen
    Aufsteller, Aufkleber, Tafel- und Spiegel-Beschriftungen oder kleine Flyer für saisonale Angebote, Events, saisonale Kulinarik-Highlights und zu den Öffnungszeiten seien keineswegs out. Gut umsetzbar seien auch Hinweise auf der Rechnung, Beilagen zur Rechnung oder auch saisonal angepasste Signaturen in E-Mails.
  • Stammgäste umwerben
    „Veranstalten Sie Stammgast-Aktivitäten und überlegen Sie sich ‚Zuckerl‘, die exklusiv nur Stammgäste erhalten (hier gilt: Bonus ist besser als Rabatt!).“ Eine Kundenbindungs-Maßnahme in Form von „Stammgastkarten“ – die von der klassischen Stempelkarte über Stammgastkarte mit Bonifikationen bis hin zu digitalen Stammgast-Karten reichten – sei nicht nur sinnvoll, sondern erlebe eine neue Renaissance.
Titelbild: pixabay
Text: Thomas Askan Vierich
22. November 2022
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