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Storytelling neu gedacht, Teil 2

Wie durchdringe ich das Weiße Rauschen im Netz, wie komme ich mit meinen Botschaften an meine Zielgruppe? Teil 2 unserer Miniserie zum Marketing im Tourismus: Visuelles und akustisches Storytelling mit Podcasts und dem Einsatz von AR und VR erreicht auch jüngere, besonders gesättigte Zielgruppen. So kann ein Betrieb zu einer „Transforming Brand“ werden.

„62 % der Befragten gaben an, dass sie eher Videoinhalten ihre volle Aufmerksamkeit schenken – damit erreichen Videos eine höhere Aufmerksamkeitsrate als etwa Social Media Posts (56 %) oder Infografiken (28 %).“

„Ein populärer Mittelweg zwischen Video-Content und XR sind 360-Grad-Videos.“

„Podcasts sind zwar vergleichsweise einfach zu produzieren, ein qualitativ wertvolles Ergebnis verlangt allerdings dennoch einiges an Aufwand.“

„Der F&B Manager erzählt von seiner Leidenschaft für Craft Beer oder über einen Winzer, den er gerade entdeckt hat.“

„Die Grenze zwischen Unternehmen und Community löst sich dabei zunehmend auf. Sie werden zu konstruktiven Akteuren des gesellschaftlichen Wandels. Zu Transforming Brands.“

Visuelles Storytelling

Studien des MIT von 2016 kamen zu der Erkenntnis, dass Menschen visuelle Reize innerhalb von nur 13 Millisekunden registrieren und verarbeiten können. So ergab eine von Hubspot durchgeführte Studie, dass Videos das aktuell wohl beliebteste und auch erfolgreichste Medium sind, um Content zu verbreiten. 62 % der Befragten gaben an, dass sie eher Videoinhalten ihre volle Aufmerksamkeit schenken – damit erreichen Videos eine höhere Aufmerksamkeitsrate als etwa Social Media Posts (56 %) oder Infografiken (28 %).

Tipps für gute Videos / Bewegtbildbotschaften

1) Qualität: Es sollte selbstverständlich sein, dass Ihr Video einwandfreie Bild- und Tonqualität sowie ein ansprechendes Skript besitzt.

2) Hook: Schon die ersten Sekunden eines Videos müssen die Aufmerksamkeit der Zuseher fangen.

3) Kein Sound: 92 % sehen sich Videos mit ausgeschaltetem Ton an – Ihre Story sollte also auch stumm funktionieren.

4) CTA: Das Video sollte natürlich einen CTA (Call-to-Action) beinhalten, im Regelfall am Ende des Videos. Buchen Sie einen Tisch/ein Zimmer, gleich hier und jetzt. Nutzen Sie unsere Aktionswochen….

Story Living durch „Erweiterte Realitäten“

AR und VR bieten völlig neue Möglichkeiten, um mit Zielgruppen in Kontakt zu treten. AR heißt Augmented (zugefügte) Reality, VR meint Virtual Reality, also komplett „künstliche“, am Computer geschaffene Realität.

Aufgrund der tiefgreifenden Auswirkungen dieser Technologien auf Content- Marketing und Storytelling sprechen einige Experten gar von einer Revolution des Storytellings. Das neue Level an Interaktivität und der neue gestalterische Freiraum jenseits von Papier und Desktop bringen Geschichten näher an deren Audience heran als je zuvor. „Mittendrin statt nur dabei“ – Storytelling wird in der erweiterten Realität zum Story Living, meinen die Experten von CMM. Aber natürlich können sich nur die wenigsten Tourismusbetriebe echte AR- und VR-Erlebnisse (XR) leisten.

Tipps & Tricks für wertvolles Visual Storytelling

1) Ein populärer Mittelweg zwischen Video-Content und XR sind 360-Grad-Videos. So taucht Ihre Audience direkt in eine Szene ein, ohne dass dafür der enorme Aufwand einer XR vonnöten wäre. Wird im Tourismus immer häufiger eingesetzt, besonders von Verbänden und Marketinggesellschaften wie Austria.Info, die hier vorangehen. Und wo man sich als Betrieb einklinken kann.

2) Manche Videokampagnen funktionieren auch ohne großes Filmset. Bei einer „Never-ending Story“ etwa wird die Unternehmensstory kontinuierlich per Instagram-Stories o. Ä. erzählt.

3) Während VR aktuell noch den Einsatz recht unhandlicher und kostspieliger VR-Brillen erfordert, lässt sich AR auch mit einer Smartphone-App umsetzen. AR ist somit eine überaus zugängliche Technologie für Audiences.

Die Challenge eines Corporate Podcasts

Podcasts, also Privatradio on demand, boomt. 32,4 % der Österreicherinnen und Österreicher hören Podcasts. Der Autor dieser Zeilen publiziert (just for fun) selbst seit April 2021 einen Podcast zum Plattenhören und Kochen: Vinyl & Cooking – mit wachsenden Zugriffen. So etwas kann man aber auch zum Nutzen eines Unternehmens einsetzen.

Allerdings sind Podcasts im Zuge des professionellen, werbenden Storytellings für Unternehmen noch nicht wirklich angekommen. Dafür gibt es mehrere Gründe, die CMM auflistet:

1) Eine unklare Content-Strategie: Unternehmen müssen sich darüber im Klaren sein, welche Inhalte sie vermitteln wollen – und welche sie vermitteln können. Ist sich ein Unternehmen etwa nicht seines eigenen Brand Purposes bewusst, kann es auch keine zielgerichtete Podcast-Strategie verfolgen.

2) Fehlendes Comitment: Podcasts sind zwar vergleichsweise einfach zu produzieren, ein qualitativ wertvolles Ergebnis verlangt allerdings dennoch einiges an Aufwand. Ein Podcast erfordert ein klar zugewiesenes Team, welches nicht nur die notwendigen Fähigkeiten besitzt, um ansprechende Inhalte zu kreieren, sondern welches auch die dafür notwendige Zeit, Finanzierung und ein professionelles Setting erhält.

3) Eine ungenaue Audience: Unternehmen muss klar sein, an wen ihr Podcast adressiert ist und ob die angepeilte Audience auch das notwendige Interesse besitzt, um den Podcast zu hören – und weiterzuempfehlen.

4) Podcast ≠ Werbung: Das wohl größte Missverständnis von Unternehmen ist es, dass sie den Podcast „nur“ als eine weitere Marketingplattform betrachten. Podcasts, deren einziger bzw. primärer Zweck darin liegt, ein Unternehmen zu promoten, werden kein Interesse generieren.

Die goldene Regel lautet auch hier: Mehrwert!

Genau wie gutes Storytelling den Kunden ins Zentrum seiner Maßnahmen setzt, sollte ein Podcast immer den Mehrwert seiner Audience in den Mittelpunkt stellen. Nach einer Episode des Podcasts sollte Ihre Audience also das Gefühl haben, dass sie nun neues und nützliches Wissen erhalten hat. Ganze 74 % der Podcast-Audience stellen diesen Wissenserwerb an oberster Stelle – darüber hinaus sind vor allem Humor, Zerstreuung und Inspiration tragende Motivatoren, um Podcasts zu konsumieren.

Es sollte keine Überraschung sein, dass sich Podcasts und Storytelling wunderbar ergänzen (können). Zum einen liegt das wohl daran, dass es schließlich die am Lagerfeuer erzählten (und gehörten) Geschichten waren, in denen Storytelling seinen Ursprung hat. Und genau dieses Setting erfüllt ein guter Podcast.

Beispiel: Der Fach-Podcast von Marco Riederer von Prodinger Tourismusberatung, der gerade eine Folge zum Storytelling im Hotel veröffentlicht hat. Hier ein Interview mit einem bekannten Content-Strategen.

Das sollte ein guter Podcast können

1) Emotionale Nähe: Hörerinnen und Hörer bauen mit der Zeit eine emotionale Bindung zu dem/der Podcast-Speaker/in auf.

2) Bilder im Kopf: Eine klare Story-Struktur nimmt die Audience mit auf eine Reise. Richtig angewendet werden selbst stundenlange Geschichten dadurch lebendig und kurzweilig.

3) Aufhänger und Cliffhanger: Gutes Storytelling macht Lust auf mehr: Ein Story Hook fängt die Audience vor bzw. in den ersten Minuten der Episode ein, ein Cliffhanger tut dies mit Ausblick auf die nächste Folge.

Was kann ein touristischer Betrieb in einem Podcast erzählen (lassen?)

1) Wie der Koch zu seinem Signaturedish gefunden hat.

2) Ein Bergführer berichtet von den schönsten Klettersteigen in der Nähe von Hotel XY.

3) Der F&B Manager erzählt von seiner Leidenschaft für Craft Beer oder über einen Winzer, den er gerade entdeckt hat.

4) Eine Bäuerin erzählt von ihren glücklichen Schweinen und warum sie die an Betrieb XY liefert.

5) Ein Zimmermädchen von Hotel XY gibt Tipps für Kulturausflüge (vielleicht speziell für Interessierte/Mitglieder ihrer Ethnie).

usw.

Micro-Storytelling für die Generationen Y und Z

Oft ist weniger und kürzer mehr – siehe TikTok. Die Treiber hinter dieser rasanten Entwicklung sind die Generationen Y und Z – also all jene, die nach 1980 geboren wurden (mittlerweile knapp die Hälfte der österreichischen Gesamtbevölkerung). Diese Menschen haben eines gemein: Sie alle, also die meisten, führen ihr Leben vorwiegend digital. Die Corona-Pandemie fungierte hier als zusätzlicher Katalysator. Negativ formuliert könnte man sagen: Diese Generationen sind ständig reizüberflutet. Das führt zu zwei wichtigen Attributen, die diese Generationen vom Rest der Bevölkerung abheben:

  • Sie sind schneller gelangweilt.
  • Sie suchen stets nach Unterhaltung.

Daraus entsteht eine kritische Masse an digitalen Userinnen und Usern, schreiben CMM, die vor allem eines sind: autonom. Sie wollen selbst entscheiden, was relevant für sie ist. Nicht zuletzt deshalb hat für diese Menschen das On-Demand-Streaming längst das lineare Fernsehen und der personalisierte Newsfeed die Tageszeitung abgelöst.

Wie gewinnen wir nun aber als Marke die Aufmerksamkeit einer Audience, die werblichen Content mit der höchstmöglichen Wahrscheinlichkeit als bloßen Störfaktor wahrnimmt?

Um im digitalen Grundrauschen nicht unterzugehen und gerade auf Plattformen wie Instagram, YouTube oder TikTok mit Content erfolgreich zu verkaufen, braucht es Stories, die umgehend auf den Punkt kommen – sogenannte Micro- Stories. Es braucht den sogenannten Thumb Stopper – eine dramaturgische Linie, die schon in den ersten Sekunden hochrelevant für unsere Audience ist. YouTube etwa hat hier die Zeichen der Zeit bereits erkannt und die sogenannten Bumper Ads eingeführt: 6-sekündige Videos, die vom Nutzer nicht übersprungen werden können (kann für den User sehr lästig sein, andererseits für den Werbetreibenden sehr wirksam, weil als User praktisch hinsehen muss). Die Herausforderung für Unternehmen liegt nun darin, ihre Stories auf diese kurze Zeitspanne herunterzubrechen – einerseits, um der Zeitvorgabe Genüge zu leisten, andererseits aber auch, um von den Usern nicht mit Ignoranz abgestraft zu werden. Das ist durchaus sehr herausfordernd. Und hier raten wir, diese Aufgabe Werbeprofis zu überlassen.

Long oder Short Storytelling?

Wie lang kann, darf oder sollte nun das Storytelling sein? Man hört immer wieder: je kürzer desto besser. Dem möchte ich mich so pauschal nicht anschließen, allerdings gehöre ich nicht zur Generation Y oder Z, sondern noch zum X. Wir sind es vielleicht noch gewohnt uns etwas mehr Zeit zu nehmen.

Wenn der Content stimmt, ist JEDER bereit hinzuhören oder hinzusehen – fast schon egal wie lange. Es gibt sehr erfolgreiche Podcast, die stundenlang laufen, manche sogar so lange, bis der Gast „Stopp!“ sagt. Das kann bis zu acht(!) Stunden dauern. Die „Zeit“ bietet sehr erfolgreich so einen Podcast an: Alles gesagt. Der ist prinzipiell endlos.

Wichtig ist, dass man zu Beginn auf den Punkt kommt: Dass der Zuseher oder die Hörerin sofort versteht, worum es geht, was sie oder ihn erwartet, wie die Spielregeln sind. Das gilt für Video wie für Audio. Viele Podcast tun das nicht, da wird endlos gelabert, bis man endlich zum Thema kommt. Das funktioniert bei einer Stammhörerschaft, aber sicher nicht bei Neuhörern. Man sollte auch für das schnell wegzappende jüngere Publikum gleich zu Beginn einen Hook einbauen: einen attraktiven Jingle, eine überraschende Aussage. Dann kann man zumindest hoffen, dass sie dranbleiben.

Sinnmärkte und Transforming Brands

Das Zukunftsinstitut sieht im Marketing via Storytelling übrigens ganz neue Entwicklungen und Chancen auf uns zukommen: „Parallel dazu treiben nachwachsende Konsumentengruppen, allen voran die Generation Z, die Verschmelzung von Kommerz, Unterhaltung und Social Media rapide voran. Und komplexe postdemografische Lebensstile lösen die (vermeintliche) Verlässlichkeit demografisch segmentierter Zielgruppen ab. All das erschwert die Einschätzung, Erforschung und Ansprache von Kundengruppen und Marktpotenzialen.“

Und weiter: „Zum anderen lässt der kollektive Wertewandel hin zu einer sinnhafteren, ökologischeren und gemeinschaftlicheren Wirtschaft und Gesellschaft die Erwartungen an Marken und Marketing rasant ansteigen. Sie erwarten Transparenz und Partizipation im Hinblick auf das, was hinter Marken steht und was sie tun. Reine Purpose-Proklamationen reichen dafür nicht aus. Es geht um erlebbares Engagement und Unterstützung bei der Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen.“

Die Zukunftsforscher sprechen von „Sinnmärkten“: Sinnhaftigkeit und Resonanz werden zunehmend zur neuen Markenwährung. Da gehe es um Sinnstiftung, Integrität und Verantwortung, um die aktive Auseinandersetzung mit aktuellen gesellschaftlichen Fragen und ein Gespür für zwischenmenschliche Resonanz.

„Wert-Schöpfer“ seien dann Menschen, die über geteilte Sinn- und Wertesets verbunden sind. Daher wird Integrität zu einem zentralen Treiber erfolgreicher Marken: aus Touchpoints werden Trustpoints.

Die Grenze zwischen Unternehmen und Community löst sich dabei zunehmend auf. Sie werden zu konstruktiven Akteuren des gesellschaftlichen Wandels. Zu Transforming Brands. „Indem sie Gemeinschaften stärken, neue Nachhaltigkeitsstandards setzen und aktiv dazu beitragen, aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen zu meistern und ein neues, qualitatives Wirtschafts- und Wachstumsverständnis zu etablieren.“ Der Tourismus als Weltenretter? Warum nicht.

Fotos: Pixabay
Autor: Thomas Askan Vierich
29. August 2022
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