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Verteilt mehr Sternenstaub!

Pierre Nierhaus führte mal 13 gastronomische Betriebe mit 400 Mitarbeitern. Heute ist er als Gastroberater und Gastrotrendexperte in der ganzen Welt unterwegs. Jedes Jahr veröffentlicht er einen Gastrotrendreport zu den neuesten Trends. Trendscout Thomas Askan Vierich hat mit ihm über Herausforderungen und Lösungen in der Postpandemie-Gastronomie gesprochen. Teil 1 des ausführlichen Gesprächs.

Thomas Askan Vierich: Herr Nierhaus, ich fand das Zitat von Richard Branson, das Sie Ihrem neuesten Gastrotrendreport voranstellen, sehr schön: „Staff first, customer second, shareholder last.“ Das hört man mittlerweile von immer mehr Gastronomen und Hoteliers.

Pierre Nierhaus: Ja, Gott sei Dank. Und da bin ich auch ein bisschen stolz drauf, denn ich habe vor dreieinhalb Jahren ein Buch geschrieben, das heißt „Echt freundlich“. Darin habe ich erläutert, dass Führung heute anders sein muss, dass die Mitarbeiter im Fokus stehen müssen und dass das auch ein wirtschaftlich sinnvolles Modell ist. Ich denke, eine Führungskraft ist dafür da, ein Team arbeitsfähig zu machen. Gerade als Gastronom kann und sollte man sich ab und zu mal rausziehen und durch das Abgeben der Verantwortung das Team stolz machen und motivieren. So bekomme ich im Endeffekt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die meine Idee – oder besser noch – unsere gemeinsame Idee repräsentieren und umsetzen. Das heißt, der Laden funktioniert nicht nur ohne mich, sondern er funktioniert besser, weil ich in meinen Mitarbeitern einfach gute Gastgeber habe. Und das bringt glückliche Gäste und mehr Umsatz.

Und der Chef oder die Chefin ist entlastet und kann sich neue Ideen überlegen.

Ich glaube, wir befinden uns da in einem großen Wandel. Die Unternehmenskultur muss stimmen und das gilt auch für einen kleinen Betrieb. Da ist der Gastronom, die Hoteliére natürlich ein Impulsfaktor. Wenn das, ich sage mal, ein guter, werteorientierter Mensch ist, dem es auch wichtig ist, dass die Mitarbeitenden es gut haben, dann hat er oder sie schon eine gute Basis für die Unternehmenskultur gelegt.

Was, wenn das ein Unternehmer ist, ein Gastronom, der 20 Jahre lang von seinen Mitarbeitern beschissen wurde: Was sagen Sie dem?

Erstmal würde ich fragen: Wer bescheißt wen? Ich selbst bin ja ein sehr erfahrener Gastronom. Ich hatte in der Spitze 13 Betriebe parallel und 400 Mitarbeiter. Wir haben immer versucht, die Mitarbeiter fair zu behandeln, mit ihnen zu reden. Es gibt natürlich immer ein paar Mitarbeiter, die auch einen falschen Weg gehen. Aber es gibt auch ganz viele Chefs, die einen falschen Weg gehen. Und wenn beides zusammenkommt, dann sagt der Mitarbeiter: Mein Chef behandelt mich nicht gut und ich schaffe mir jetzt einen Ausgleich.

Als Chef muss ich darauf achten, ob die – wie man so schön sagt – Hygienefaktoren stimmen. Also ist der Job gut machbar, werden die Arbeitszeiten eingehalten, zahle ich anständig und so weiter. Das ist die Basis. Natürlich darf es einem Mitarbeiter bei mir nicht viel schlechter gehen als Mitarbeitern woanders. Das heißt, ich muss ein bisschen mehr zahlen. Die Krux ist natürlich, egal ob es sich um Österreich oder Deutschland handelt: Eigentlich zahlen wir ein bisschen zu schlecht, weil unsere Gäste uns nicht genug wertschätzen. Damit meine ich: Sie sind nicht bereit mehr zu bezahlen. Ich bin letzte Woche in New York gewesen, da ist alles so viel teurer geworden und die Leute gehen trotzdem aus.

Ich muss aber gar nicht so weit schauen, das gilt für Italien und Frankreich genauso: In einer Krise schimpfen die Leute, gehen aber trotzdem aus. In Deutschland und Österreich verstecken wir uns zu Hause und sagen: Oh Gott, die Krise kommt, wir sparen unser Geld. Die Italiener und Franzosen gehen raus und schimpfen über die Regierung im Restaurant, geben also Geld aus – und die geben viel aus.

Vielleicht wird ihnen mehr geboten als bei uns?

Die schätzen vor allem die Sachen, die es im Restaurant, im Hotel gibt, höher. Selbst die einfache Arbeiterfamilie kauft am Wochenende in Frankreich für ein gutes Essen ein. Die wissen, was das kostet, und sind dann auch bereit im Restaurant entsprechend zu zahlen. Wenn bei uns ein Wiener Kalbsschnitzel zwölf achtzig kostet, dann kann das nicht mit rechten Dingen zugehen. In der Krise haben das viele auch gemerkt. Die fragen jetzt öfter nach. Sie fragen auch gute Produkte nach. Das heißt: Ist das gut für mich, gut für die Umwelt, gut für die Tiere? In Deutschland hatten wir zu Beginn der Corona-Pandemie einen Lebensmittelskandal bei einem großen Fleischproduzenten, eigentlich einer Fleischfabrik. So haben die Menschen erfahren: Wenn ich billiges Fleisch kaufe, kriege ich miese Ware von schlecht behandelten Tieren, zerlegt von Mitarbeitern unter ganz schlimmen Umständen. Dann muss ich einfach akzeptieren, dass das Wiener Schnitzel für zwölf achtzig entweder überlagert ist oder kein Wiener Schnitzel ist. Es muss einfach über 20 Euro in einem Restaurant kosten und bei einigen guten auch über 30 und das ist eben so. Viele haben das mittlerweile auch bei uns akzeptiert.

Aber nicht alle können sich das leisten.

Natürlich. Wir haben viele Gäste, deren persönliches Einkommen durch Inflation, Energie, Krieg, Krise auch geschwächt ist. Das heißt, ich kann jetzt nicht einfach sagen, ich mache alles 30 Prozent teurer. Das heißt, ich muss als Gastronom anders agieren.

Liegt darin nicht vielleicht auch eine Chance? Okay, die Leute gehen vielleicht weniger essen, quantitativ, aber wenn, dann legen sie Wert auf Qualität und guten Service. Diesen Gast muss ich halt kriegen. Wenn er nur einmal die Woche oder im Monat essen geht und eben ein soziales Bewusstsein hat und auch ein Tierschutzbewusstsein, dann muss ich dem transparent meine Speisen anbieten. Und dann kommt er eben zu mir und geht nicht zum Billigwirten an der Ecke.

Also da wird sich das Publikum sicherlich ein bisschen aufteilen. Ich sage mal, bei uns geht es noch. Wenn ich das in Amerika sehe, wo es so teuer geworden ist: Da gibt es viele Familien, die wirklich nur noch zum Billigstsystem gehen können, der dann Burger und Bier für unter 10 Dollar anbietet, was ja auch schon viel Geld ist, während derjenige, der es sich leisten kann, natürlich auch besser und gesünder essen kann. Also die Lösung, glaube ich, liegt woanders. Erstens: Wir müssen teurer werden und der Verbraucher muss es irgendwo auch akzeptieren. Wenn ich es wirklich durchrechne, also für den Fall, ich möchte was Gutes essen, ich habe auch noch Gäste zu Hause, also beispielsweise ein Pärchen lädt ein Pärchen ein, und ich möchte Fleisch haben und ich möchte einen guten Wein haben. Da komme ich zu Hause auch auf Kosten von deutlich über 100 Euro. Und wir trinken ja nicht nur eine Flasche, das sind dann eher zwei oder zweieinhalb. Wenn ich jetzt ins Restaurant gehe und zwei fair kalkulierte Flaschen Wein habe, wie ich sie gerade in Österreich auch überall kriege, dann lande ich vielleicht bei 150 oder 200 Euro. Also wir reden jetzt nicht von einem Spitzenlokal, sondern von einem schönen, guten, traditionellen Lokal. Und da muss ich mich dann fragen: Ist das teuer? Nein, ist es nicht, weil zu Hause hätte ich auch schon über 100 Euro bezahlt. Und im Restaurant sind die Leute auch noch nett zu mir und ich muss nichts einkaufen und nichts abwaschen.

Teil 2 des Interviews können Sie hier lesen.

Kernaussagen

„Staff first, customer second, shareholder last.“ (Richard Branson)

„Eigentlich zahlen wir ein bisschen zu schlecht, weil unsere Gäste uns nicht genug wertschätzen.“ (Pierre Nierhaus)

„In Italien und Frankreich schimpfen die Leute, gehen aber trotzdem aus. In Deutschland und Österreich verstecken wir uns zu Hause und sagen: Oh Gott, die Krise kommt, wir sparen unser Geld.“ (Pierre Nierhaus)

Interview: Thomas Askan Vierich
Titelbild: Martin Joppen
21. März 2023
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